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AutorenbildSimone Bingemer

Christian Schad – Sonja (Max Herrmann-Neisse im Hintergrund)


1842, Öl auf Leinwand, 27 x 23 cm, Frankreich – Pontarlier, Musée de Pontarlier


Es fällt nicht leicht eine Wahl zu treffen zwischen den allesamt beeindruckenden Portraits Christian Schads. Ich habe mich für das Werk „Sonja“ entschieden, welches er 1928 in Berlin malte. Was mich als Erstes in seinen Bann zieht ist Sonjas unverwandter Blick. Das herbe, scharf geschnittene Gesicht, der ernste Ausdruck, die Augen melancholisch und abwesend auf das Gegenüber gerichtet. Dächte man sich das elegante schwarze Kleid mit der Blüte auf der Schulter fort, so könnte dieses blasse Gesicht auch das eines jungen Mannes sein. Der Maler Christian Schad malte nicht bloße Portraits, ganz im Gegenteil: Seine Akteure sind eingebettet in Szenen, in Umgebungen und Räume, welche die Personen in eine Geschichte hüllen. So sitzt Sonja in diesem Werk gelassen oder gar gelangweilt inmitten eines bunten Treibens. Ihren Arm stützt sie auf dem Tisch ab, auf welchem Zigaretten, eine Puderdose und ein Lippenstift oder ein Fernglas liegen. In einer Hand hält sie eine Zigarettenspitze die andere ruht auf ihren übereinandergeschlagenen Beinen. Hinter ihr – im mittleren Hintergrund – erkennt man eine geöffnete Champagnerflasche in einem Sektkübel auf einem Tisch stehen. Daneben befindet sich stark angeschnitten vom rechten Bildrand ein in eine rote Jacke gekleideter Pianist. Am linken Bildrand erkennt man weiterhin – ebenfalls stark angeschnitten – einen in schwarz gekleideten Mann von welchem lediglich ein Ohr zu sehen ist. Das Bild strahlt nicht Sprühendes, Verwegenes oder Ausgelassenes aus, wie es die Umgebung – offensichtlich ein Cabaret – vermuten ließe. Sonja mit dem fein in die Stirn gelegten schwarzen Haar, den schweren Lidern und den breiten und schön geschwungenen Lippen erscheint, gleichfalls allem um sie herum, wie eingefroren. Dies gibt mir als Betrachtende Zeit, bei meinen Gedanken zu diesem momentanen Augenblick, zu verweilen. Ich finde sie sieht nicht unbedingt aus als warte Sie auf jemanden. Das schwarze, schlichte an Ausschnitt und Oberarmen transparente Kleid mit der blass rosafarbenen Blüte lässt darauf schließen, dass sie sich sorgfältig für den Abend gekleidet hat, aber nicht zwangsläufig für einen Abend zu zweit. Wie ein dunkler Duft liegt über allem eine spröde Unverbindlichkeit. Es gibt in dem angedeuteten Raum hinter ihr eine Ecke, einen Weg vielleicht, welcher zwischen schweren Samtportieren heraus, in die Kühle einer Großstadtnacht führt. Atmosphärisch erinnert mich das Bild an die Romane von James Baldwin „Giovannis Zimmer“ und George Simenons „Betty“. Sie berühren mich gleichermaßen.

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